Sich einen Moment des Innehaltens gönnen, sich auf das Wesentliche besinnen, Nahrung für die Seele bekommen, sich mit anderen Menschen verbinden – dies ermöglichen die geistlichen Impulse, die wir hier regelmässig veröffentlichen. Montags erscheint jeweils ein persönlicher Text eines Mitglieds unseres Pastoralraumteams, donnerstags dann wieder Gedanken über Persönlichkeiten, die für unsere Kirche und unsere Gesellschaft von Bedeutung sind.
Wir freuen uns, uns so mit Ihnen und vielen anderen verbunden zu wissen!
Impuls für Montag, 12. Mai 2025
Der Gang auf dem Seil
Einmal saßen die Chassidim in brüderlicher Gemeinde beisammen, als Rabbi Israel, die Pfeife in der Hand, zu ihnen trat. Da sie ihn so nah und vertraut vor sich sahen, redeten sie ihn an: „Sag uns doch, lieber Rabbi, wie sollen wir Gott dienen?“ Er verwunderte sich und antwortete: „Weiss ich‘s denn?“ Aber sogleich fuhr er fort zu sprechen und erzählte: „Es waren einst zwei Freunde, die wurden eines gemeinsamen Vergehens halber vor dem König angeklagt. Da er sie aber liebte, wollte er ihnen eine Gnade erweisen. Lossprechen konnte er sie nicht, denn auch das königliche Wort besteht nicht gegen die Satzung des Rechts. So sprach er das Urteil, es solle über einem tiefen Abgrund ein Seil gezogen werden und die zwei Schuldigen sollten es, einen nach dem anderen, beschreiten; wer das jenseitige Ufer erreiche, dem sei das Leben geschenkt. Es geschah so, und der eine der Freunde kam ungefährdet hinüber. Der andere stand noch am selben Fleck und schrie: „Lieber, sage mir doch, wie hast du es angestellt, um die fürchterliche Tiefe zu überqueren?“ „Ich weiss nichts“, rief jener zurück, „als dieses eine: wenn es mich nach der einen Seite riss, neigte ich mich auf die andere.“
Aus: Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim, Zürich 1949.
Gedankenanstösse
Ich glaube, diese kurze Geschichte beschreibt das Leben so, wie wir es oft empfinden. Dass wir einen grossen Abgrund vor uns haben und nur ein Seil, um weiterzugehen.
Wie würden Sie drübergehen, eher wie der erste oder wie der zweite Freund? Machen Sie einen Schritt nach dem anderen ohne über das ganze Rundherum nachzudenken und reagieren auf das, was Ihnen entgegenkommt? Oder nehmen Sie zuerst das grosse Ganze wahr und überlegen sich eine Strategie wie es weitergeht?
Vanessa Tschopp, Seelsorgerin Kirchenzentrum St. Paulus Birrfeld
Dokumente | 2025-03-31_Erleichterung finden_JN (pdf, 182.6 kB) 2025-04-03_Edith_Stein_29 (pdf, 302.3 kB) 2025-04-07_Nachdenken_VT (pdf, 253.8 kB) 2025-04-10_Edith_Stein_30 (pdf, 233.2 kB) 2025-04-14_Meine eigenen Grenzen_JN (pdf, 318.6 kB) 2025-04-17_Edith_Stein_31 (pdf, 263.0 kB) 2025-04-21_Auferstanden_ADP (pdf, 197.7 kB) 2025-04-24_Edith_Stein_32 (pdf, 317.5 kB) 2025-04-28_Auferstehung_und_ich_VT (pdf, 409.4 kB) 2025-05-01_Edith_Stein_33 (pdf, 284.3 kB) 2025-05-05_Wer viel gesammelt hatte_JN (pdf, 230.1 kB) 2025-05-08_Edith_Stein_34 (pdf, 282.3 kB) 2025-05-12_Seilakt_VT (pdf, 233.9 kB) |
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